Der Orgelbauer Johann Stephan Schmaltz
Im Wanderslebener Kirchenbuch wird
erwähnt:
"1715, 23. September des NachMittags zwischen 3 und 4 Uhr ward
Mitnachbar Nicol Schmaltz, Leineweber von seinem Eheweibe Ursula ein
junger Sohn geboren und den 25. zur seeligen Taufe befördert,
Taufpathen waren
/1/Stephan Schlimbach ein Junggesell und Knecht bey Georg Heinrich
Hunold, Lorenz Schlimbach Vormundtschaftsverwandt zu Wechmar leiblicher
Sohn.
/2/ Jungfrau Barbara Cathrina Knöpfelin, Mitnachbar Hans
Knöpfeln Metzger und Mitnachbar allhier leibliche Tochter,
das Kind bekam den Namen Johann Stephan."
Wir wissen, daß Johann Stephan Schmaltz bei dem
Gothaer Hoforgelmacher Johann Christoph THIELEMANN (1682-1755) das
Handwerk des
Orgelmachers erlernte. Von 1737 - 1739 schuf die Werkstatt von
Thielemann die Orgel in Wölfis. Dabei wird in der
Kirchrechnung eine Quittung aufgeführt:
"...dem Orgelmacher Gesell Schmaltz zum Trinkgeld da die neue Orgel fertig d. 14.8. 2 Thl. 6 gr.".
Es ist die älteste uns bekannte Erwähnung
seines Schaffens im Orgelmacherhandwerk.
Wenig später muß er sich selbständig
gemacht haben, denn schon 1740
baute er in Hochdorf eine Orgel, 1741 in Blankenhain und 1742 in
Krakendorf. Im Jahre 1743 bekommt er den Auftrag für den Umbau
der
Orgel in der Kirche zu Sülzenbrücken und 1744/45
baute er in der
damaligen Sülzenbrücker Filialgemeinde Komhochheim
ein neues Orgelwerk
mit 9 Registern.
Die Orgel in der Kornhochheimer St. Nikolauskirche ist die einzige, die
vom Lebenswerk dieses Orgelbauers im wesentlichen erhalten ist.
Er unterschreibt zu dieser Zeit die Verträge mit dem
Hinweis "Orgelmacher von Wandersleben".
Im 1. Jahrzehnt seines Schaffens hatte Johann Stephan Schmaltz seine
Werkstatt in Wandersleben.
So wird er in Schriften aus dem Turmknopf der Wanderslebener St.
Petrikirche aus dem Jahre 1744 bei der Aufzählung der "Personal Nobiles Honoratiores und Frey Personen"
erwähnt. Seinem Heimatdorf ist er bis zu seinem Lebensende
treu geblieben.
In den Wanderslebener Gemeinderechnungen taucht sein Name immer wieder
im Zusammenhang mit der Wartung und Erweiterung der Orgel auf. So 1764
mit einem Verweis auf das Jahr 1760. Wie schon erwähnt,
erhielt die Orgel in diesen Jahren durch ihn ein zusätzliches
Register und einen Violin-Baß.
Und in der Gemeinderechnung von 1766/67 ist noch ein interessanter
Hinweis auf die Anschaffung eines Glockenspiels enthalten:
"3 Groschen dem Org.(anisten) vor den Weg nach Arnstadt um daselbst bey dem Orgelmacher Schmaltzen sich wegen eines Glockenspiels zu erkundigen...".
Das Glockenspiel wird 1770 durch Schmaltz eingebaut. Und exemplarisch für viele Jahre Wartung der Wanderslebener Orgel:
"Zwei Gülden Stimm- und
Wartgeld vom hiesigen Orgelwerke im Herbst
1779 sind mir anders aus denen Gemeindemitteln bar bezahlet worden.
Welches hiermit quittierend bescheinige.
Wandersleben, den 15. November 1779
Johann Stephan Schmaltz Orgelbauer".
Die von ihm übernommene Pflege der Schröter-Orgel führte im 19. Jh. zu der irrigen Annahme, daß diese Orgel aus seiner Werkstatt stamme.
Schon 1746/47, als er die Orgel in der Ohrdrufer
Trinitatiskirche schuf, bemühte er sich in einem Schreiben vom
5. September 1747 um Aufträge und ein Privileg beim
Arnstädter Konsistorium.
In diese Zeit fällt auch die Errichtung der Orgel in
Riechheim, die J. S. Schmaltz 1747 fertigstellte. In einem weiteren
Schreiben vom 10. November 1747 beruft er sich auf 5 Attestate von ihm
errichteter Orgeln und legte die Zeichnung einer von ihm entworfenen
Orgel bei.
J. S. Schmaltz hielt weiterhin Kontakt zu seinem Lehrmeister
Thielemann, sodaß es nicht verwundert, daß J. S.
Schmaltz 1750 nach der Erkrankung Thielemanns dessen begonnene Arbeiten
an der Orgel in Rehestedt vollendete. Für die
ausgeführten Arbeiten erhielt J. S. Schmaltz in Raten je 100
Reichsthaler. Die Quittungen unterschrieb er gemeinsam mit Thielemann.
Am 8. Januar 1751 erwirbt er das Bürgerrecht von Arnstadt. Im
Bürgerbuch der Stadt wird er als "priveligierter
Orgelmacher von Wandersleben" bezeichnet - ein Hinweis
darauf, daß er seine Werkstatt vom Beginn seines Wirkens bis
1751 in Wandersleben hatte.
In seiner Arnstädter Zeit unterschrieb er die
Verträge nach Erlangung seines Privilegs mit "F(ürstlich) S.(chwarzburgischer)
Priveligirter Orgelbauer". In den
Rechtszettelbüchern findet sich ein Hinweis auf seinen
Wohnsitz im Arnstädter Riedviertel im "Haus
unter dem Berge". Es ist aber nicht bekannt, ob sich dort
auch seine Werkstatt befand.
Am 30. April 1743 heiratete J. S. Schmaltz Anna Friederike Schmidt zu Geraberg (?). Seine erste Frau verstarb am 18. Januar 1762 in Arnstadt. Am 25. November 1762 heiratete er Martha Maria Hentzoldt, die aber schon im Jahre 1767 nach 5jähriger Ehe verstarb. Seine dritte Frau, die aus Thörey stammende Pfarrwitwe Juliane Maria Hähner, geborene Wechsel, ehelichte J.S. Schmaltz am 18. September 1769 in Arnstadt. Ihr Sohn, Ludwig Wilhelm HÄHNER, den sie mit in die Ehe brachte, führte nach dem Ableben von Johann Stephan Schmaltz die Werkstatt erfolgreich weiter. Hähner war es auch, der 1790 wesentliche Veränderungen an der Wanderslebener Orgel vornahm.
Schon 1751 bekommt Schmaltz einen Auftrag für den Orgelneubau in der Arnstädter Oberkirche. In engem Kontakt stand er mit dem Organisten Johann Georg RATZMANN, der dort die Nachfolge von Johann Ernst BACH angetreten hatte, dem Bach, der die Wanderslebener Pfarrerstochter 1720 geheiratete hatte. Ratzmann war dort von 1739 bis 1760 tätig.
E. L. GERBER erwähnt in seinem NEUEN
HISTORISCH-BIOGRAPHISCHEN LEXIKON DER TONKÜNSTLER aus dem
Jahre 1812, daß J.S. Schmaltz noch in anderen Orten des Amtes
Gehren Orgeln gebaut haben soll. Leider konnten bis auf
Wümbach (1758) und Altenfeld (1776) bisher keine weiteren
Unterlagen gefunden werden. Es bedarf der weiteren Auswertung der
Archive, um die Auflistung seines Lebenswerkes zu
vervollständigen.
Nicht immer läßt es sich eindeutig klären,
ob es reine Neubauten oder Umbauten waren, da es früher
üblich war, noch brauchbare Teile der Vorgängerorgel
wiederzuverwenden. Manchmal zogen sich die Arbeiten über Jahre
hin, da die Auftraggeber das nötige Geld nicht ausreichend
auftreiben konnten. Gleichzeitig finden sich in vielen
Verträgen Vereinbarungen, in denen der Orgelbauer finanzielle
Sicherheiten geben mußte.
So heißt es zum Beispiel im Vertrag zwischen J. S. Schmaltz
und der Gemeinde Günthersleben:
"...auch alle Contractsmäßige Gewährleistung auf Jahr und Tag... zu leisten mit seinem gesamten Vermögen, so viel darzu von nöthen, zu haften.".
Für die "technische" Fertigstellung war der Orgelbauer zuständig, aber für die künstlerische Gestaltung wurden Holzbildhauer beauftragt. In Wümbach arbeitete J. S. Schmaltz mit dem Bildhauer BÖHLER aus Arnstadt zusammen. In Ingersleben war es der Arnstädter Bildhauer Nicolaus Widder, mit dem die Gemeinde 1772, gut sieben Jahre nach Setzung der Orgel, Verhandlungen aufnahm. Erst 1778 wurden diese Arbeiten ausgeführt. Superintendent GELBKE berichtet:
"Im Jahre 1778 hat man sie mit Lautwerk verzieret, weiß angestrichen und vergoldet...".
Das Wirken von J. S. Schmaltz im mittelthüringischen Raum hat die Orgelbaukunst des 18. Jahrhunderts sehr bereichert. Johann Stephan Schmaltz starb am 28. April 1784 als Hoforgelmacher in Arnstadt. In den Arnstädter Kirchenbüchern findet sich folgender Eintrag:
"...am 28. April früh 3 Uhr starb Hr. Johann Stephan Schmaltz, Fürstl. Schwarzburg. privilegierter Hof-Orgelmacher und wurde Donnerstag a. 29. April Abends 9 Uhr in der Stille begraben und das große Geläute bezahlt.".
Die Werkstatt führten sein Stiefsohn Ludwig Wilhelm Hähner und sein Sohn Johann Wilhelm Gottlob SCHMALTZ weiter. Von Hähner sind unter anderem Orgeln in Wechmar, Milda und Geitersdorf gebaut worden. Reparaturen und Umbauten sind von ihm in Wandersleben (1790 und später) und Craula bekannt. Johann Wilhelm Gottlob Schmaltz baute Orgeln in Abtsbessingen und Almenhausen.
Schon wenige Jahre nach seinem Ableben findet Johann Stephan
Schmaltz in Ernst Ludwig Gerbers Neuem historisch-biographischen
Lexikon der Tonkünstler Erwähnung und somit ist uns
ein interessantes Zeugnis eines Zeitgenossen überliefert.
Lobende und kritische Worte sind gleichermaßen enthalten und
deshalb soll dieses Zitat in voller Länge wiedergegeben werden:
"Schmaltz (Johann Stephan) privilegirter
Orgelmacher im Fürstenthume Schwarzburg-Sondershausen, geb. zu
Wandersleben im Erfurtischen, lebte zu Arnstadt, von wo aus er,
außer mehreren kleineren und größeren
Werken für umliegende zu Arnstadt und Amt Gehren
gehörige Oerter, auch ein beträchtliches und
wohlgerathenes Werk für Ohrdrut bey Gotha erbauete, dessen
Riß so wohl gefiel, daß er nach selbigem 1754 zu
Holzthalleben in hiesiger Gegend ein neues Werk von 24 Stimmen
für 2 Man.. und Ped. um 575 Thlr verfertigen mußte,
welches ihm nicht weniger Ehre machte.
Nachdem er nach der Zeit noch ein paar kleine Werke in
Holzsußra und
Hohenebra in hiesiger Gegend erbauet hatte, starb er im J. 1785
(richtig:1784) zu Arnstadt, doch hatte er vorher noch seinen Stiefsohn
Häner in seiner Kunst gehörig unterrichten
können.
Er war ein guter Stimmer ein gewandter Kopf in Anlegung einer Sache und
in Benutzung des Raumes, und verstand die Intonation seines
Pfeifenwerks vollkommen. Nur zu seiner Tischlerarbeit wäre ihm
mehr
Fleiß, Akkuratesse und Nettigkeit zu wünschen
gewesen."
Der letzte Satz dieser Bemerkungen soll nicht über das große Können von J. S. Schmaltz hinwegtäuschen. Auch wenn der Großteil seines Lebenswerkes nicht mehr erhalten ist, können wir an dem Wenigen, was noch vorhanden ist, seine Meisterschaft erkennen.