Die Schröter-Orgel von 1724
1723 entschlossen sich die Wanderslebener eine neue Orgel
anzuschaffen. Der damalige Pfarrer ANTHON DANIEL WIRTH beriet sich mit
der Vormundschaft und Gemeinde über den geplanten Bau.
Anschließend
wurde die Erlaubnis des Gräflich Gleichen-Hatzfeldtischen
Amtes und der
geistlichen Aufsichtsbehörde, dem CONSISTORIUM zu Blankenhain,
eingeholt. Ein erfahrener Orgelbauer mußte gefunden werden.
Die Wahl
fiel auf JOHANN GEORG SCHRÖTER aus Erfurt.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Schröter schon 12
Orgeln in Erfurt und
den umliegenden Dörfern gebaut und konnte ein
CHURFÜRSTLICH MAYNZISCHES
GNÄDTIGSTES PRIVILEGIUM vorweisen.
Wie es letztendlich zur Vergabe des Auftrages an diesen Orgelbauer kam,
können wir heute nicht mehr nachvollziehen, aber
Schröters
Geschäftstüchtigkeit sieht man an einer im Jahre 1723
herausgegebenen
Schrift, einem Abdruck seines Mainzer Privilegiums und einer Reihe von
Referenzen dankbarer Kunden - eine der ersten Werbedrucksachen dieser
Art.
Bis dahin wurden Referenzen mühevoll immer aufs neue
abgeschrieben.
Da seine Werbedruckschrift 1723 entstand, können wir annehmen,
daß sie
den Wanderslebenern in dieser Form schon vorlag und ihre Entscheidung
mit beeinflußte.
In der Person Johann Georg Schröters stand ihnen ein
erfahrener
Orgelbaumeister gegenüber.
Am 26. Januar 1724 wurde zwischen den Vertretern der Kirchgemeinde und
des Dorfes auf der einen und dem Orgelbauer Schröter auf der
anderen
Seite der Vertrag über die Errichtung einer neuen Orgel
geschlossen.
Auch der damalige Kantor zu Wandersleben, Andreas Polycarpus
KALLENBERG, unterschrieb als Vertreter der Kirchgemeinde das
Vertragswerk.
Die Vertragsparteien hatten 630 Reichsthaler ausgehandelt und "Sechs Eymer Bier bey Setzung der Orgel (1 Eimer = 68,7 liter)." Außerdem wurde eine Zahlung in Raten vereinbart: "200 Rthlr. instehende Lichtmeße 1724. Jahres, 200 Rthlr. bey völliger Lieferung der Orgel; das Residude (der Rest: a. d. V) 230 Rthlr. aber instehende Michaflis dieses 1724. Jahres".
Der Vertrag wurde vierfach ausgefertigt: für die Kirchgemeinde, das Dorf, den Orgelmacher und das Gräfliche Amt. In diesem Vertrag wurden technische Details abgesprochen und Materialfragen geklärt. So heißt es unter anderem: "Der Orgelmacher soll gehalten seyn, das Holtz in Backoffen deswegen dürren zu laßen, damit es nicht quellen könne...". Es folgen weitere technische Einzelheiten, die darauf schließen lassen, daß die Wanderslebener Gemeinde bei der Vertragsformulierung sachkundig beraten wurde.
Schröter und seine Mitarbeiter konnten im
Frühjahr des genannten
Jahres mit den Arbeiten beginnen. Die vorbereitenden Arbeiten wurden
sicherlich wegen der noch kühlen Jahreszeit in der Werkstatt
ausgeführt. Über den ganzen Sommer hinweg bis zum
Herbst wurde fleißig
gearbeitet. Es entstand eine Orgel mit 22 Registern.
Für die Gestaltung des sichtbaren Teiles der Orgel, des
Prospektes,
wurden von den Orgelbauern oftmals spezialisierte Meister herangezogen.
Von Schröter weiß man, daß er in dieser
Zeit mit dem in Großrettbach
ansässigen Bildhauer GELLERT zusammenarbeitete. Ob er auch den
reich
gestalteten Prospekt der Wanderslebener Orgel schuf, bedarf noch der
weiteren Forschung und des Stilvergleichs an den Orgeln in den Kirchen
von Töttleben (1722) und Waltersleben (1723), von denen man
weiß, daß
GELLERT der Meister ist.
In der Zwischenzeit gab es natürlich keine Orgelmusik in den Gottesdiensten, aber musiziert und gesungen wurde dennoch, denn wir wissen, daß in Wandersleben ein ADJUVANTENCHOR existierte, der verschiedene Instrumente spielte und sich im Gesang übte. Nach erfolgter Prüfung des Instrumentes konnte die Orgel in einem Festgottesdienst eingeweiht werden.
Johann Georg Schröter wird noch einmal in der
Gemeinderechnung 1731/32 erwähnt:
"1 Reichsthaler 15 Groschen Herrn
Schrötern von
Erffurth Wartgeldt wegen Aufsicht des Orgelwercks.it 3 Groschen
Reisekosten"
Man kann daraus schlußfolgern, daß
Schröter die
jährlich wiederkehrende Pflege des Instrumentes
übernommen
hatte.
Die Wanderslebener Orgel erfuhr im Laufe der Zeit manche
Veränderung. So wird im Wanderslebener Heimatbuch von Walther
Heinze
erwähnt:
"1760 ließ die Gemeinde die
Orgel reparieren und noch
ein neues Register anfertigen. 1764 wurde der im Gesicht der Orgel
stehende Violinbaß verzinnt und 1770 das Werk mit einem
Glockenspiel
versehen...".
Diese Arbeiten wurden, wie die Gemeinderechnungen belegen, von J. S.
SCHMALTZ ausgeführt.
Dieser hatte von 1740 - 1751 seine Werkstatt in Wandersleben und
betreute die Orgel später von Arnstadt aus, wo er ab 1751 als
Hoforgelbauer tätig war.
Auch nach dem Ableben von J. S. Schmaltz führte die nun von
seinem
Stiefsohn L. W. HÄHNER geleitete Werkstatt Reparaturarbeiten
und
technische Veränderungen an der Wanderslebener Orgel aus. Aus
Gemeindemitteln erhält L. W. Hähner 45 Gulden, 15
Groschen "vor renovierung hiesigen
Orgelwerkes, und allen dabei vorkommenden reparaturen...".
Weitere technische Veränderungen kamen durch den in
Schmiedefeld
ansässigen Orgelbauer F. W. HOLLAND in den Jahren 1844 und1862
hinzu.
Im 1. Weltkrieg wurden 1917 insgesamt 50 Prospektpfeifen aus Zinn ausgebaut und mußten der Rüstungsindustrie geopfert werden. Sie wurden nach dem Krieg durch Zinkpfeifen ersetzt.
Seit den Sechziger Jahren wurden immer wieder Versuche unternommen, die Schröter-Orgel zu restaurieren. Alle beteiligten Stellen von Landeskirche und Denkmalpflege waren sich über die historische und künstlerisch hohe Bedeutung dieser Orgel einig. Dennoch kam es Anfang der Siebziger Jahre durch unsachgemäße Reparaturarbeiten zu einer starken Schädigung des historischen Bestandes.
Von 1997 bis 1999 wurde die Orgel restauriert und wird wieder für Gottesdienste und Konzerte genutzt. Am 3. Oktober 1999 wurde sie mit einem Festgottesdienst eingeweiht.